Am zehnten Geburtstag hält Kim endlich ihr eigenes Handy in der Hand und braucht nicht mehr bei ihren Eltern zu betteln. Schnell ein Profilbild von sich gemacht, WhatsApp, TikTok, Insta heruntergeladen und ab ins Netz damit.
Nun nimmt auch Lara per WhatsApp aus ihrer Klasse mit dem Spruch „Willkommen im richtigen Leben“ Kontakt auf. Und das, obwohl Lara sie doch vor Wochen noch beleidigt hatte, weil sie ohne Handy zur Schule kam. Wie sich doch die Dinge zum Positiven wandeln. Aber kurz darauf erscheint ein Bikini-Foto von Kim im Klassenchat. Es handelt sich natürlich definitiv um ein Fake-Foto, aber Kims Gesicht ist einwandfrei zu erkennen. Spöttische Kommentare und Lach-Emojis prophezeien eine unruhige Zeit mit Hänseleien und Angst vor der Schule, verbunden mit Symptomen wie Bauschmerzen.
Worte und Bilder können verletzend sein. Wie soll man sich zur Wehr setzen, wenn sich scheinbar alles gegen einen verschworen hat? Mag es auch nur eine Hand voll Akteure im Chat geben, die restlichen Leser werden durch ihr Nichtstun meistens den Täter stützen, aber niemals dem Opfer helfend zur Seite stehen. Woher soll Kim wissen, dass die vermeintliche Spaßfoto-Aktion bei vielen ihrer Mitschüler ebenfalls mit Kopfschütteln betrachtet wird? Solange eine Kommunikation nicht face to face stattfindet, ist es schwer zu erkennen, wer nur Mitläufer ist. Beleidigungen über diesen Weg führen häufig zur Grenzüberschreitung und haben nichts mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu tun. Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte geraten schnell ins Wanken. Dies wird auch durch das häufige Posten von Hassbotschaften, fremdenfeindlichen Stickern und Schockfilmen deutlich. Mobbing über das Internet erlaubt keinen Rückzugsraum. Selbst im Kinderzimmer finden derartige Botschaften ihren Empfänger.
„Das war doch nur Spaß“ wird dann häufig bei einer Vernehmung geäußert. Für das Opfer sieht es allerdings nicht so aus. Wer Bilder verändert und auch noch ohne Zustimmung verbreitet, begeht einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Folgen noch Beleidigungen oder Drohungen, wird das Strafgesetzbuch aufgeschlagen.
Als Opfer sollte Kim diese Sache nicht mit sich selbst ausmachen. Bei fehlender Entschuldigung ist auch die Option einer Strafanzeige in Betracht zu ziehen. Hilfreich kann hierbei die „Cyber-Mobbing Erste-Hilfe App“ sein mit dem Verweis auf www.juuuport.de. Kim sollte auch ihre Eltern und andere Vertrauenspersonen informieren und um Hilfe bitten. Es ist wichtig, dem Täter klar zu machen, dass es Menschen gibt, die nicht bereit sind, sein verletzendes Verhalten zu dulden. Eltern haben zudem die anspruchsvolle Aufgabe, ihre Kinder über die verantwortungsvolle Nutzung neuer Medien aufzuklären. Technikkompetenz ist dabei nicht gleichzusetzen mit Nutzungskompetenz. Informationen für Eltern finden sich unter www.klicksafe.de/Eltern und www.polizei.beratung.de.
(Dieser Artikel erschien am 12.09.2020 in der HALLO/EULE)